Mit Ökostrom und fließend Wasser- Das Abenteuer geht weiter.

Leben auf unserem Wwoof- Hof in Schweden

KAPITEL 1

 Auf in den Norden!

  

Endlich wieder auf in den Norden! Es war Mitte März und ziemlich kalt. Die Sonne hatte sich gerade über die Baumwipfel erhoben, als wir unsere beiden Samojedenmischlinge Bamse und Lisa ins Auto verfrachteten und uns nordwärts begaben, um unseren neuen Hof „Snåret“, zu deutsch „Gestrüpp“, endlich wieder zu besuchen.

Das letzte Mal hatten wir Snåret Ende November bei der Schlüsselübergabe gesehen, danach hatte der Winter weitere Besuche unmöglich gemacht. Ungeduldig Pläne schmiedend hatten wir auf das Frühjahr gewartet, uns immer wieder die Fotos angesehen, die wir gemacht hatten, und uns in unsere Zukunft geträumt. Unsere anfängliche Besorgnis über den katastrophalen Zustand aller Gebäude hatte sich über Winter in tatkräftige Entschlossenheit verwandelt, und wir konnten es kaum erwarten, mit den Renovierungen zu beginnen. Jetzt war es endlich soweit. Ein neuer Abschnitt in unserem Leben hatte begonnen.

Auf unserem Weg fuhren wir durch eine herrliche weiße Winterlandschaft, und mit jedem Kilometer, dem wir uns unserem Ziel näherten, wurde ich aufgeregter. Schließlich verließen wir die befestigte Straße und bogen auf einen geschotterten Waldweg ein. Wir passierten einige Häuser und einen großen See, fuhren kilometerweit durch den Wald, an einzeln stehenden Gehöften vorbei, dann durch ein Dorf. Wieder schimmerte ein See durch die Bäume rechts von uns. Einige Kilometer weiter am Fuße eines kleinen Berges befanden sich die Briefkästen für uns und für die Nachbarn. Ab hier waren es noch drei Kilometer bergauf. Je weiter unser Bus den Hügel erklomm, desto höher türmte sich der Schnee am Wegrand. Links war der Abzweig zu den Nachbarn; ein Hinweisschild aus Holz und eine brennende Kerze in einer Laterne direkt neben einem Holztroll entlockten mir ein Lächeln. Nach weiteren dreihundert Metern, ich saß bereits erwartungsvoll nach vorn geneigt im Sitz, bog Michael links ab- und bremste. Die Einfahrt zum Hof war nicht geräumt worden und damit eindeutig unbefahrbar für uns. Wir parkten den Wagen, schnappten uns die Hunde und stapften durch den tiefen Schnee die zweihundert Meter lange Einfahrt hinab bis zum Schlagbaum. Der Wald lichtete sich, und da lag er: unser wunderschöner Hof! In Hanglage, eingebettet von Wiesen und Wald, blickten uns rotgemalte Gebäude mit weißen Schneehauben auf den Dächern freundlich entgegen. Mir ging das Herz auf, und ich wußte, daß wir die richtige Entscheidung getroffen hatten. Hier wollte ich wohnen!

Einige Sonnenstrahlen kämpften sich durch die graue Wolkendecke und ließen den Schnee glitzern. Wir folgten der einsamen Spur einer Katze den Weg hinauf zum Wohnhaus. Kalt war es hier, erheblich kälter als in Lilla, und hier lag auch um einiges mehr Schnee.

Snåret liegt im Värmland, 150 km von Lilla, unserem damaligen Zuhause entfernt mitten im Wald am Ende eines Weges, und das war etwas, das uns von Anfang an gefallen hatte. Wir suchten die Stille und Ungestörtheit, und hier in der Abgeschiedenheit dieses Hofes würden wir sie finden, davon waren wir überzeugt.

Daß sich alle Gebäude sowohl innen als auch außen in einem furchtbaren Zustand des Zerfalls befanden, hatte nichts daran ändern können, daß wir uns sofort in diesen Ort verliebt hatten. Hier schien die Zeit einfach stillzustehen, und der Wald, der sechs Hektar Wiesen umschloß, war fast unberührt. So hatten wir es tatsächlich gewagt und diesen heruntergekommenen Hof gekauft. Elf Gebäude zählten wir, darunter drei Scheunen, eine alte Schule, eine ehemalige Schmiede und ein Waschhaus, das über einem kleinen Bächlein stand, dessen Wasser über eine Klappe im Boden erreichbar war. Der Hof war einmalig, und jetzt gehörte er uns.

 

Als wir das Wohnhaus erreichten, erwartete uns eine Überraschung: Jemand hatte uns einen in Plastik verpackten Brief an die Türklinke gehängt. Er war handgeschrieben und auf den November datiert, hatte also den gesamten Winter über hier auf uns gewartet. Eine Frau, die in der Gegend wohnte, beglückwünschte uns zu unserem Kauf und gab ihrem Bedauern darüber Ausdruck, daß sie einen Kauf ihrerseits nicht energischer vorangetrieben hatte. Sie fragte uns, ob wir vielleicht daran interessiert seien, Snåret an sie zu verkaufen. Noch im Nachhinein fiel uns ein Stein vom Herzen, daß sie nicht mit uns in ein Bieterverfahren eingestiegen war, denn bereits der jetzige Kaufpreis sprengte eigentlich unsere Möglichkeiten. Hätte noch jemand auf den Hof geboten, wäre ein Kauf für uns unmöglich geworden. Ich nahm mir vor, die Frau anzurufen und nach Snåret einzuladen, sobald wir wieder zuhause waren. Damit rechnete sie nach dieser langen Zeit sicherlich nicht mehr!

Wir verbrachten den Tag damit, uns unser neues Zuhause genau anzusehen, aufzuschreiben, welche Renovierungen notwendig waren und eine Liste mit Einkäufen zu erstellen. Lisa schoß wie eine Verrückte durch Wohnhaus und Schule, Treppen hoch und wieder runter; ihr gefiel es hier anscheinend ausgesprochen gut. Fast bekam ich den Eindruck, sie sei heimgekehrt, so begeistert war sie, aber das war vermutlich Unsinn. Als meine Füße dermaßen kalt waren, daß ich sie nicht mehr spürte, waren wir glücklicherweise soweit, aufbrechen zu können. Aufgrund der Wetterverhältnisse in Snåret entschieden wir uns, erst ab April damit zu beginnen, uns häuslich einzurichten und die ersten Renovierungen in Angriff zu nehmen. Ich konnte es kaum erwarten. 

 

Ausblick über Snåret. Die Schule befindet sich links unten außerhalb des Fotos.

Foto: Hauke Jebens

KAPITEL 2

 Alte Geschichten

 

Es war das Frühjahr 2008. An unserem ersten Wochenende in Snåret entschieden wir, daß das Wohnhaus nicht bewohnbar war. Nicht umsonst hatte uns der Makler nahe gelegt, das Wohnhaus abzureißen und lieber auf die Schule mit ihren hohen Decken und großen Fenstern zu setzen, die sich zumindest innen in einem erheblich besseren Zustand befand. Ich putzte und wienerte die ehemalige Lehrerwohnung, damit wir dort wohnen konnten, während wir das Wohnhaus renovierten.

Der vordere Teil der Schule bestand aus einer kleinen Lehrerwohnung mit zwei Räumen: Einer Küche mit holzbefeuertem Herd und einem Schlafzimmer mit Kachelofen. Vom Fenster aus hatte man einen herrlichen Blick über die großen Wiesen und den Wald. Der hintere Eingang, der über einen Flur in den Schulsaal führte, war damals von den Schülern benutzt worden. Der Dachboden war sehr geräumig, allerdings weder ausgebaut noch isoliert, und bot einen noch grandioseren Blick über die Wiesen. Ich zog ernsthaft in Erwägung, doch auf die Schule zu setzen. Allerdings befand sich diese am hinteren Ende des Grundstücks, so daß man die Auffahrt nicht einsehen konnte, und wenn ich dermaßen abgelegen wohnte, wollte ich schon gerne mitbekommen, wer das Grundstück betrat und sich auf ihm bewegte. Also zogen wir vorübergehend in die Schule ein. Das Bett stellten wir vor das Fenster, so daß wir morgens auf die Wiesen sehen konnten. Lisas Schlafhöhle kam auf meine Bettseite, Bamse bekam sein Lager bei Michael. Das Schulplumpsklo wurde von uns in Benutzung genommen, und ich stellte fest, daß sich auf dem Küchenherd erheblich besser kochen ließ als auf dem in Lilla, der einfach nicht genug Hitze entwickelte.

Ich stöberte in den alten Schulbüchern, die, alle durchnummeriert und gut erhalten, in zwei Kartons lagerten und betrachtete die Wandtafeln mit heimischer Flora und Fauna und anderes Schulzubehör vergangener Zeiten. Auf dem Dachboden befanden sich riesige Haufen alter Zeitungen, die Herbert aufgehoben hatte. Die ältesten waren aus den dreißiger Jahren, und mir war klar, daß ich diese spannende Lektüre nicht einfach würde verbrennen können. Unter anderem fand ich beim Aufräumen einen Artikel über die erste   Mondlandung, den ich fasziniert las.

 

Wir hatten nicht gewußt, daß Snåret das Herzstück dieser Gegend war. Nicht umsonst war die Dorfschule hier errichtet worden, nachdem die alte in den dreißiger Jahren abgebrannt war. So war die Neugier der Anwohner sehr groß, als bekannt wurde, daß wir den Hof gekauft hatten. Man machte sich Gedanken, ob der Hof angemessen geschätzt und erhalten werden würde und wollte uns kennenlernen. Nach und nach erst ging uns auf, was wir da als unser neues Zuhause auserkoren hatten, und anfangs war ich nicht sehr angetan von dem Gedanken, jetzt eine Person des regionalen öffentlichen Interesses zu sein. Ich beschloß, es mit Humor zu nehmen, daß wir ständig von den Renovierungsarbeiten abgehalten und in längere oder kürzere Gespräche verwickelt wurden. Immerhin lernte ich so mehr über unser neues Zuhause und seinen schrulligen Vorbesitzer, der meiner Meinung nach immer noch auf dem Hof herumspukte und sich vergewisserte, daß dieser in gute Hände gelangt war.

 

Über Herbert, den Einsiedler, der auf dem Hof geboren und bis zuletzt hier allein gewohnt hatte, rankten sich viele Geschichten, denen ich gerne lauschte, und in einem Buch über die Lokalgeschichte dieser Gegend wurde „Herbert in Snåret“ sogar ein ganzes Kapitel gewidmet. Er war bis zu seinem Tode dafür bekannt gewesen, jede Arbeit auf dem Hof so durchzuführen, wie er es von seinen Eltern gelernt hatte, und damit auf möglichst traditionelle Art und Weise. Allerdings fiel ihm dies in seinen letzten Jahren ziemlich schwer, denn er hatte sich beim Reinigen eines Mähdreschers den Fuß an einem ihrer Zinken aufgespießt und sich erst nach vielen Stunden davon befreien können. Die Wunde war nie wirklich verheilt, und so humpelte er danach sehr stark und hatte Mühe, seinen alltäglichen Verpflichtungen nachzugehen.

 

Herbert weigerte sich, die Uhren auf Sommerzeit umzustellen, da er den Sinn nicht sehen konnte und nicht wollte, daß seine Kühe irritiert wurden; und so fragte er jedes Mal, wenn er einen Termin mit jemandem vereinbarte, wie spät es denn jetzt unten im Dorf sei. Oder die Erzählung, daß er nachts auf die Suche nach seinen Kühen ging, die nicht nach Hause kamen.

 

...mehr davon im Buch...

Ohne Strom und fließend Wasser. Unsere ersten Jahre in Schweden

Vorwort
März 2009

”Jetzt seid Ihr wohl vollkommen durchgedreht!”, „Das packt Ihr doch niemals!“ und „Ich gebe Euch kein halbes Jahr da oben!“ waren einige der Kommentare, die wir uns anhören mußten, als wir unsere Familien, Freunde und Bekannte darüber informierten, daß wir vorhatten, nach Schweden auszuwandern. Noch arger wurde es, als wir ihnen berichteten, daß unser zukünftiges Zuhause über keinen Strom und damit auch über kein fließendes Wasser verfügte. Das Kopfschütteln nahm kein Ende, und von vielen Seiten wurden wir belächelt. Positive Reaktionen waren selten.
 
Auch unsere neuen Nachbarn, bei denen wir uns in den ersten Tagen nach unserem Umzug vorstellten, sahen uns ungläubig an: Wir hätten doch wohl nicht allen Ernstes vor, in dem unisolierten und nicht winterfesten Freizeithaus zu wohnen?! Und dann noch ohne Strom?!
Erwartet hat wohl niemand, daß wir wirklich durchhalten würden. Und doch: Über sechs Jahre ist es jetzt her, daß wir Deutschland verließen, um uns ein neues Leben im schwedischen Wald aufzubauen. Wir haben diesen Schritt nie bereut und nicht vor, jemals wieder zurückzukehren.
Zugegeben, anfangs hatten wir mit vielen Problemen zu kämpfen, und gerade die ersten Winter in unserem Häuschen waren sehr hart, dennoch möchten wir diese Zeit nicht missen. Sie hat uns zusammengeschweißt und uns gezeigt, daß es durchaus möglich ist, auf die meisten Errungenschaften der Zivilisation zu verzichten. Inzwischen ist es selbstverständlich für uns, ohne Strom zu leben, und wir sind immer wieder überrascht, wie sehr der durchschnittliche Mitteleuropäer vom Strom abhängig geworden ist. Das einzige, das ich die ganzen Jahre über wirklich vermißt habe, war eine eigene Waschmaschine.
Heute lächelt niemand mehr mitleidig, wenn wir erzählen, daß wir seit fast sieben Jahren ohne Strom leben. Wir gelten zwar als die durchgeknallten Deutschen, aber man hat aufgehört, sich über uns lustig zu machen.
 

Anfangs ging es uns darum, der von uns als bedrückend empfundenen BRD zu entfliehen. Die Konsumgesellschaft mit ihrer rücksichtslosen Ausbeutung der Erde und unserer Mitgeschöpfe lehnten wir ab, wir wollten uns davon abgrenzen, gesünder und naturnäher leben und uns mehr eingebunden fühlen in den ewigen Kreislauf der Natur. Als Nebeneffekt erhofften wir uns, mehr Zeit für uns und unsere Interessen zur Verfügung zu haben.
 
Wie naiv sind wir doch an diese Sache herangegangen! Wir hatten nicht die geringste Vorstellung davon, welcher zeitliche und vor allem auch finanzielle Aufwand mit dem Kauf des alten Freizeithauses auf uns zukommen sollte. Wir verfügten über keinerlei Eigenkapital, keinerlei finanzielle Reserven, lebten sozusagen von der Hand in den Mund. Viele Probleme erwischten uns gänzlich unvorbereitet, und oft galt es, kreativ zu sein und Lösungen zu finden, auch einmal die Zähne zusammenzubeißen.
Im laufe der Zeit wurde uns bewußt, daß es unser eigentliches Ziel war, überhaupt nicht mehr auf die Gesellschaft angewiesen zu sein und unsere Lebensmittel so weit wie möglich selbst zu produzieren. Wir hatten uns entschlossen, Selbstversorger zu werden.
 
Dieses Buch soll Euch über diese ersten Jahre ohne Strom und fließend Wasser berichten.
 

Der erste Schritt in unsere neue Zukunft

Ein wenig mulmig wurde uns doch, als wir uns endlich für unser Häuschen entschieden hatten. Ohne Strom? Nicht winterfest? Würden wir das wirklich schaffen, oder muteten wir uns damit zuviel zu? Aber was hatten wir schon zu verlieren? Der Sprung ins kalte Wasser hatte noch niemandem geschadet, und ausprobieren wollten wir es auf jeden Fall. Ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor war die Tatsache, daß wir uns das Haus noch gar nicht von innen angesehen hatten, da der Besitzer den Schlüssel mit in seinen Skiurlaub genommen hatte, statt ihn dem Makler zu übergeben. Unsere Besichtigung hatte sich daher darauf beschränkt, von außen durch die Fenster der unteren Etage zu blicken und Scheune und Holzschuppen von innen anzusehen. Verrückt eigentlich, aber so war es. Dennoch hatten wir das Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Wir unterschrieben also den Kaufvertrag, vereinbarten mit dem Makler einen Termin und fuhren Mitte November nach Schweden, um den Schlüssel für unser zukünftiges Zuhause in Empfang zu nehmen. Eine Nacht würden wir dort verbringen und dann nach Deutschland mit seinen vielen Verpflichtungen zurückkehren.

Die Dunkelheit brach früh herein, so daß wir die Formalitäten bei Kerzenlicht erledigten. Zweimaliges Händeschütteln, und Makler und ehemaliger Besitzer unseres Traumhauses entschwanden in die Dunkelheit.
Bald prasselte ein Feuerchen im offenen Kamin im Wohnzimmer. Mit einer Flasche Wein saßen wir glücklich in unserem neuen Zuhause und stießen auf unser Häuschen an. Auf dem Campingkocher wärmten wir uns zwei Suppen auf, leerten eine zweite Flasche Wein und verbrachten dann die Nacht in unserem ausgebauten VW- Bus.
Am nächsten Tag inspizierten wir Haus und Grundstück aufs genaueste, um auch die anstehenden Renovierungsarbeiten planen zu können.
 
Unser Häuschen lag einsam im Wald an einem schmalen Waldweg, von Nachbarn war weit und breit nichts zu sehen. Die Stille war unglaublich, man konnte fast meinen, allein auf der Welt zu sein.
 
Das Wohnhaus war aus ganzen Baumstämmen gezimmert und über zweihundert Jahre alt. Es verfügte über einfach verglaste und noch mundgeblasene Sprossenfenster, die an einigen Stellen gesprungen waren. Die Farben der Wände und Decken empfanden wir als unerträglich: Rosa der Flur und die Küche, das Wohnzimmer hellblau, und die Tapete im dritten Zimmer war in einem undefinierbaren, schmutzigem Graubraun gehalten. Die Treppe zum Dachboden war steil und lebensgefährlich, das Dach selbst nicht isoliert, der Dachboden hatte noch nicht einmal einen richtigen Fußboden. Die einzigen Wärmequellen waren ein alter Holzherd in der Küche und ein offener Kamin im Wohnzimmer.
 
Das Grundstück war vollständig verwildert und zugewachsen, der Waldrand nur einige Meter vom Haus entfernt. Umgestürzte Bäume lagen auf der Wiese, die seit Jahren keinen Rasenmäher mehr gesehen hatte. Der gegrabene Wasserbrunnen lag etwa fünfzig Meter vom Haus entfernt, das Plumpsklo ebenfalls. Zudem gab es einen alten Erdkeller, eine kleine Scheune und einen Holzschuppen, der unser Gästehaus werden würde, momentan allerdings nur aus einer rohen Bretterwand gezimmert war und vom vorherigen Besitzer anscheinend als Müllablageplatz benutzt worden war, genauso wie die Senke hinter der Scheune, in der sich der Müll meterhoch türmte.
 
Es war kalt, windig und regnerisch, und nach unserem Rundgang und einem kleinen Ausflug in den Wald war ich froh, wieder vor dem Kamin im Wohnzimmer zu sitzen. Der Abschied fiel uns schwer, wußten wir doch nicht, wann wir das nächste Mal wieder hierher kommen konnten.
 
Obwohl wir nicht nur das Haus, sondern auch die Anreise für die Schlüsselübergabe von der Bank hatten finanzieren lassen müssen, fühlten wir uns bereits jetzt unserem Ziel näher. Wir besaßen jetzt ein eigenes kleines Häuschen in Schweden, eine Rückzugsmöglichkeit, die niemand außer uns kannte. Es war ein Stück Freiheit. Und das machte uns froh.

...mehr im Buch...

Klara: Das Huhn, das keine Henne sein wollte und andere Hühner- und Entengeschichten

Endlich war es soweit! Ich hatte lange darauf gewartet, und nun endlich hatte ich unsere ersten Hühner im Wagen und fuhr heimwärts. Aber puh, wie nur sollte ich meinem Mann klarmachen, daß ich statt einer Glucke und fünf Küken, wie er mit dem Züchter vereinbart hatte, nun einen Hahn, zwei erwachsene Hennen und zwölf Küken mit nach Hause brachte?

 Zuerst hatte ich gezögert, mich dann jedoch damit einverstanden erklärt, die miteinander aufgewachsenen und aufeinander eingespielten Hühner nicht auseinander zu reißen. Der  Züchter hatte schon Recht: Wer sollte sonst die Hennen und Küken vor Gefahren warnen und ein Gefühl von Sicherheit vermitteln?

 Was wohl Michael dazu sagen würde, daß wir ab sofort morgens von dem lauten Krähen eines Hahnes geweckt würden?

Auf dem Waldweg fuhr ich besonders vorsichtig und wich jedem Schlagloch aus, um unsere neuen Familienmitglieder nicht noch mehr zu erschrecken. Sie würden genug damit zu tun haben, daß sie in dunkle Kartons gesteckt und eine Stunde lang im Auto transportiert worden waren, um dann in einer fremden Umgebung wieder das Tageslicht zu erblicken.

 Michael mußte unseren lauten Dieselbus wohl rechtzeitig gehört haben,  jedenfalls erwartete er mich bereits, als ich in die Einfahrt einbog.

 „Na, hat alles geklappt?“ Michael begrüßte mich mit einem Kuß.

„Hm, ja“ entgegnete ich zögernd. „Es gab aber eine kleine Planänderung.“

„Wie meinst Du das?“ Fragend sah er mich an.

„Naja, ich habe ein paar Hühner mehr mitgebracht.“

„Das macht doch nichts. Wieviele sind es denn?“

Ich hatte Mühe, mir ein Grinsen zu verkneifen. „Ein Hahn, zwei Hennen und zwölf Küken.“

Fassungslos sah Michael mich an.

„Schicksal“ sagte ich und zuckte mit den Schultern. Dann blinzelte ich ihn an, und er lachte.

„Gut, raus aus dem Auto mit ihnen!“

 Es war warm,  und die Sonne stand noch hoch am Himmel, obwohl es bereits Abend war. Vor drei Wochen erst hatten wir Mittsommer gefeiert.

Wir entschlossen uns, die Hühner erstmal in den Stall zu verfrachten, wo sie bis zum nächsten Tage zur Ruhe kommen könnten. Es waren drei Kartons, die wir in den Stall schleppten. Nicht den leisesten Laut hörte man aus ihrem Inneren. Mit den Hühnern war doch wohl alles in Ordnung?

 

Einen nach dem anderen öffneten wir die Kartons. Nichts rührte sich in ihnen, alle Hühner waren zur Bewegungslosigkeit erstarrt. Wir beratschlagten uns kurz und hoben danach alle Hühner einzeln und sehr vorsichtig aus den Kartons. Die Küken piepten leise und drängten sich zusammen, der Hahn und die beiden Hennen jedoch rührten sich nicht. Wir ließen sie einfach in Ruhe. Ein Blick noch auf den gefüllten Wassernapf, dann verließen wir den Stall und schlossen die Tür hinter uns. Glücklich sahen wir uns an: Wir waren Hühnerbesitzer!

 

Gespannt öffneten wir am nächsten Morgen öffneten die Tür zum Hühnerstall. Erst schaute ein Hühnerkopf vorsichtig durch die Öffnung nach draußen, und dann folgte der ganze Hahn hinterher: Hoch erhobenem Kopf marschierte er aus dem Stall, gefolgt von den beiden Hennen und den Küken, alle schön vorbildlich in Reih und Glied.

Wir hatten wohl unwillkürlich den Atem angehalten, jedenfalls atmeten wir nun geräuschvoll aus. Super, das ging ja besser, als wir erwartet hatten!

Wir beobachteten unsere Hühner, die neugierig die Umgebung betrachteten. Sie liefen ein wenig hin und her, blieben jedoch immer in der Nähe der Stalltür. Irgendwann fingen sie dann an, ihre Körner zu picken und einfach das zu tun, was Hühner eben den ganzen Tag lang so tun: Scharren, picken und gackern.

Wir hatten uns für eine schwedische Landrasse entschieden, Skånska Blomman, was übersetzt soviel hieß wie „Skånes Blume“. Schwedische Landrassen waren besser an das rauhe Klima angepaßt als die neueren Züchtungen, und das war uns wichtig. Im Stall hatten wir keinen Strom und daher auch keine Heizmöglichkeit, und die Temperaturen im Winter betrugen bis zu minus dreißig Grad. Zudem wäre es schön, daran mitzuarbeiten, die Landrassen zu erhalten, die immer mehr von den gezüchteten Rassen verdrängt wurden. Und hübsch sahen sie zudem auch noch aus, die lustig schwarz- weiß gepunkteten und gefleckten Hühnchen.

Mit stolz geschwellter Brust stolzierte der Hahn um seine ihm anvertraute Hühnerschar und beäugte aufmerksam die Umgebung. Und mit stolz geschwellter Brust betrachteten wir unsere neuen Hofbewohner. Dann stellte er sich in Pose, reckte seinen Hals- und krähte laut. Für einen Moment hielten die beiden Hennen inne in ihrem Tun, nur die Küken futterten unbeeindruckt weiter. Und wir beide sahen uns an und grinsten glücklich.„Er heißt Hermann“ informierte mich Michael, und ich warf ihm einen verdutzten Blick zu. Aber der Name paßte. Es war ein guter Name für einen Hahn.

Und nochmal streckte Hermann seinen Kopf in die Luft und verkündete laut, daß er dieses Stück Land in Besitz nahm. Laut krähte er der Sonne entgegen, daß ein neuer Tag begonnen habe und er, Hermann, mit seiner Schar hier eingezogen war. Danach stolzierte er zu den Körnern und begann, sein Morgenmahl zu sich zu nehmen.

 

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